Der aktuelle Haushalt des Bundes sieht eine drastische Kürzung der Forschungsförderungen im Bereich Batterie vor. EAS-Geschäftsführer Michael Deutmeyer ordnet die Auswirkungen auf die deutsche Industrie ein, zeigt Folgen und Wege für mittelständische Unternehmen am Beispiel von EAS auf und skizziert Lösungsansätze für ein neues zukunftsfähiges Modell der batterietechnologischen Forschung und Entwicklung in Deutschland:
Herr Deutmeyer, wie bewerten Sie die Kürzungen der Forschungsförderung des Bundes im Bereich Batterie?
"Es ist erschreckend zu erkennen, mit wie wenig Weitblick für die Bedeutung der Lithiumionentechnologie auf politischer Ebene gedacht und gehandelt wird. Speziell der Wirtschaftssektor der Automobilindustrie ist für Deutschland extrem wichtig und befindet sich mitten in der Elektrifizierung. Die Abhängigkeit von asiatischen Zellherstellern bedroht europäische Automobilhersteller. Es ist für unser Land geradezu überlebenswichtig, eine wettbewerbsfähige europäische Massenzellproduktion aufzubauen bevor die industriepolitische Preisgestaltung der asiatischen Zellen europäische Automobilhersteller bedroht."
Wie steht es aktuell um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Batterieindustrie?
"Deutschland hat in den letzten Jahren stark aufgeholt und es geschafft, viele Technologien auf dem Gebiet der Lithiumionenanwendungen zu industrialisieren. In Europa stehen wir batterietechnologisch inzwischen mit an der Spitze. Hinsichtlich bestimmter technischer Zellspezifikationen haben wir auch gegenüber asiatischen Produkten die Nase vorn. Automobile Batteriezellen differenzieren sich hinsichtlich Schnellladefähigkeit, Sicherheit, Zykelbeständigkeit und natürlich auch hinsichtlich des CO2-Fußabdrucks und der Wiederverwertbarkeit. Es muss also das Ziel sein, eine kommerziell erfolgreiche Massenfertigung für die spezifizierten Zellen aufzubauen, die der Qualität und der Kostenstruktur der asiatischen Mittbewerber gerecht wird. Diese Chance jetzt durch ein Ausbremsen der Forschung und Entwicklung zu zerstören, ist unverantwortlich gegenüber dem Industriestandort Deutschland."
Welche Funktion haben die technischen Universitäten in dieser Entwicklung?
"Forschung und Lehre haben verschiedene Funktionen für unseren Wirtschaftszweig. Zum einen bilden die Universitäten Fachkräfte aus, die von der Wirtschaft übernommen werden können. Zum anderen treiben die Experten an den wissenschaftlichen Instituten die Entwicklung von Technologien an, die anschließend gemeinsam mit dem entsprechenden Knowhow in die Wirtschaft überfließen. Letzteres geschieht durch Kooperationen in gemeinsamen Forschungsprojekten. Die finanzielle Förderung dieser Projekte senkt die Hemmschwelle für Unternehmen, in neue speichertechnologische Ideen zu investieren. Somit führt sie dazu, dass mehr dieser Ideen angegangen, getestet und schließlich marktreif entwickelt werden. Zugleich finanzieren die Forschungsgelder automobilrelevante Professuren, Doktorandenstellen und die entsprechende Infrastruktur der Forschung. Kleine und mittelständische Unternehmen können den Verlust dieser Fördergelder kaum kompensieren."
Wie wirken sich die fehlenden Fördermaßnahmen auf den Fachkräftemangel aus?
"Die Industrie braucht Fachpersonal, um entwickeln und produzieren zu können. Rekrutiert werden diese Fachkräfte an den Universitäten. Dort generieren sie Knowhow und Kompetenzen, die für die Industrie interessant sind. Wenn der Bund Fördermittel streicht, hat das hinsichtlich des Fachkräftemangels der Wirtschaft zunächst einen positiven Effekt. Viele Doktoranden und Studienabgänger, die üblicherweise eine weitere Karrierestufe an der Universität oder in einem der Forschungsprojekte geplant hätten, müssen sich nun direkt am Markt bewerben. Somit stehen den Unternehmen mehr der dringend benötigten Fachkräfte zur Verfügung. Allerdings ist das nur ein sehr kurzfristiger Effekt, denn auch die Fachkräfte der Zukunft müssen an den Universitäten und in den Projekten ausgebildet werden. Eine Reduktion der Forschungsförderungen über den aktuellen Haushalt hinaus würde die Anzahl der Fachausbildungen reduzieren, ihre Qualität verringern und vermutlich auch sehr schnell den Effekt der Kompetenzabwanderung ins Ausland mit sich bringen."
Was bedeutet die eingeschränkte Forschungsförderung für EAS?
"EAS hat einige offene Stellen zu besetzen. Daher profitieren wir von dem kurzfristigen Effekt, der jetzt junge Elektrochemiker und Batteriekonstrukteure auf den Markt spült, die sich sonst universitär orientiert hätten. Doch darauf beschränken sich die positiven Auswirkungen für uns auch schon. Wir betreiben beispielsweise das Geschäftsfeld des Lizenzmodells. Das bedeutet, wir patentieren neue zelltechnologische Verfahren und lizensieren diese an die Industrie. Der Erfolg dieses Geschäftsbereichs ist darauf angewiesen, dass wir laufend neue Patente anmelden. Sie entstehen zumeist in den üblicherweise geförderten F&E-Projekten. Somit sind die Förderungen für diesen Bereich essenziell. Im Moment ist EAS zwar noch in laufende Projekte involviert, doch die Wahrscheinlichkeit, dass wir dort, wo wir Forschungsbedarf haben, in diesem Jahr neue Projekte beginnen, ist äußerst gering."
Das heißt in Zahlen ausgedrückt?
"Die Verluste, die uns durch die fehlende Forschungsförderung entstehen, kann man nicht quantifizieren. Qualitativ bedeutet die fehlende Unterstützung, dass wir weniger zukunftsfähige Technologien entwickeln und patentieren können. Forschungsprojekte tragen zudem Knowhow herein und halten uns handlungsfähig, wenn es gilt, Teilprobleme zu lösen. Das wird ohne die Förderung zurückgefahren. Wir werden uns weniger vernetzten und austauchen können, weniger von Querverbindungen und Folgeaufträgen profitieren und langfristig auch weniger gutes Personal rekrutieren. Klar ist, dass wir diesen Verlust nicht aus unserem Cashflow heraus kompensieren können."
Wie wird EAS mit dieser Situation konkret umgehen?
"Damit unser Patentportfolio gemeinsam mit unserem Marktwert weiterhin wachsen kann, werden wir schauen, welche anderen Länder unsere Themen mittels Förderungen unterstützen können. In US-Amerika, Kanada und Europa gibt es Förderprogramme, für die unsere technologischen Anliegen ebenfalls interessant sind. Leider ist die internationale Zusammenarbeit – auch auf EU-Ebene – meist relativ ineffizient und bringt zusätzliche Aufwendungen mit sich. Sie birgt zudem die Gefahr, dass Knowhow auswandert und breiter gestreut wird. Dennoch: Wir werden zunehmend von potentiellen Partnern aus dem Ausland angesprochen und verfolgen das inzwischen mit größerem Interesse. Zudem sind wir bereits in mehreren internationalen Kooperationen tätig. Dies gilt es nun zu verstärken."
Wie wird sich die angewandte Forschung in Deutschland währenddessen entwickeln?
"Wir haben hier eine völlig neue Situation im Bereich der batterietechnologischen Forschung und Entwicklung. Erfreulicherweise trägt sie Chancen zu einer grundlegenden Verbesserung in sich. Bisher war es so, dass die wissenschaftlichen Forschungstätigkeiten der Universitäten zu einhundert Prozent gefördert wurden. Der Entwicklungsbeitrag der Unternehmen wurde dagegen nur mit bis zu fünfzig Prozent der Kosten unterstützt. Das hat dazu geführt, dass die Initiative und Planung der Projekte grundsätzlich von den wissenschaftlichen Instituten ausgegangen ist. Die Unternehmen hatten dagegen wenig Gestaltungsspielraum – sowohl in der genauen technologischen Zielsetzung als auch in den Abläufen und in der Zeitplanung der Projekte. Jetzt sind die Forschungseinrichtungen gezwungen, ihre Technologieziele bilateral zu platzieren und die Unternehmen für ihre Finanzierung zu gewinnen. Damit werden sie ebenfalls den marktwirtschaftlichen Mechanismen unterworfen und müssen ein angemessenes Preis-Leistungsverhältnis sowie eine gezielte Lösung für ein bestehendes technologisches Problem anbieten, wenn sie ihre Forschungsziele umsetzen möchten. Sie werden also schneller, günstiger und zielgerichteter arbeiten müssen. Das kann der Anfang eines völlig neuen und besseren Forschungssystems für die Kommerzialisierung von Technologien in Deutschland werden."
Wie genau sieht diese Idee für ein besseres Forschungssystem aus?
"In erster Linie zeichnet es sich durch Effizienz aus. Wenn die Unternehmen mehr Einfluss auf das Konsortium nehmen können, wird dieses sicherlich kleiner ausfallen. Administrative Vorgänge werden auf das Nötigste beschränkt, Prozesse verschlankt und beschleunigt. Und viel wesentlicher: Der inhaltliche Fokus wird nicht mehr auf den Ideen und Interessen der universitären Forschung liegen, sondern auf dem konkreten Lösungsbedarf aus dem Markt. Die Effizienz wird den schwerfälligen Apparat der Forschungseinrichtungen in Deutschland dahingehend in Bewegung setzen, dass er resultatorientiert und dementsprechend flexibel an Lösungsideen herangeht. Die unternehmensseitig gesteuerten Forschungskonsortien können gezielte Unterstützung anbieten und die Fragen der Industrie deutlich schneller beantworten als in den bislang üblichen drei oder vier Jahren der geförderten Forschungsprojekte. Und wenn der finanzielle Aufwand für ein einzelnes oder wenige beteiligte Unternehmen zu hoch ist, sind auch kreative Modelle der Ko-Finanzierung denkbar. Beispielsweise könnten sich Hersteller von Produktionsmaschinen finanziell an der Lösung eines Problems beteiligen und bekommen dafür im Nachgang eine kostenfreie oder besonders günstige Lizenz der neuen Technologie."
Sie meinen, wir brauchen die Forschungsförderung in Zukunft nicht mehr?
"Doch, natürlich. Wir brauchen zehnfach höhere Forschungsbudgets als bisher, um den Batteriestandort Deutschland samt Energiewende voranzutreiben. Es wäre jedoch wünschenswert, dass die Unternehmen die Forschungsgelder erhalten und sie als Auftraggeber für die Entwicklung neuer Technologien im Verbund einsetzen. Nicht nur würden die Prozesse, die Zeiträume und die Frequenz der Meilensteine deutlich effizienter geplant werden. Auch führen die Forschungsziele, wenn sie umsetzungsnah und feldgetrieben sind, zu einem höheren Wettbewerb. Forschung und Entwicklung würden dadurch deutlich schneller vorankommen und auch schneller abrechnen können. Die Fördereinrichtungen könnten diesen Effekt unterstützen, indem sie zu einem ergebnisorientierten Projektmanagement übergehen. Sie könnten sich als dritte Instanz deutliche aktiver einbringen – auch inhaltlich. In ihrer Funktion haben sie die Forschungslandschaft im Blick. Sie könnten Querverbindungen zu anderen Projekten schaffen und kombinierte Fördersysteme in Forschungsclustern bilden. So wäre deutlich mehr Output aus den eingesetzten finanziellen Mitteln denkbar. Wir würden die Schlüsseltechnologie der Energiewende deutlich schneller vorantreiben und den Industriestandort Deutschland zukunftsfähig aufstellen."