Der Markt für Batterie-Management-Systeme (BMS) steht vor einem Wandel. Die vom Anwender kaum wahrgenommenen Einheiten aus Hard- und Software sind in jeder Batterie enthalten. Sie überwachen und steuern die in der Batterie enthaltenen Zellen. Ihre vordringliche Aufgabe ist ihre Sicherheitsfunktion. Zudem geben sie Auskunft über den Ladezustand der Batterie und optimieren ihn gegebenenfalls im sogenannten „Balancing“. Doch diese Funktionen werden in Zukunft nicht mehr ausreichen. Und es wird komplexer, sie überhaupt umzusetzen.
Die Nachfrage nach Batterien mit sicherer Zellchemie, wie Lithium-Eisen-Phosphat (LFP), wächst mit der Elektrifizierung mobiler Maschinen sowie der Luft- und Schifffahrt. Parallel dazu verlangt die Automobilindustrie nach immer schnellladefähigeren Batterien mit hoher Energiedichte, deren Eigenschaften gänzlich neue Zellchemien erfordern. Doch eine Konstante gibt es: Das BMS hat als Messgrößen lediglich Information über Stromstärke, Temperatur und Spannung der Zellen zur Verfügung.
Zellchemie: LFP und neue Aktivmaterialien
Der Ladezustand von Batteriezellen mit klassischen Zellchemien wie Nickel-Mangan-Kobalt-Oxid (NMC) oder Nickel-Kobalt-Aluminium-Oxid (NCA) verläuft nahezu proportional zur Zellspannung. Er lässt sich also via BMS leicht an dieser Messgröße ableiten und anzeigen. Bei LFP sieht das anders aus, da die Zellspannung im Bereich zwischen zwanzig und achtzig Prozent nichts über den Ladezustand der Zelle aussagt. „Hier brauchen wir einen Algorithmus, also eine Berechnung durch die Software, der zudem das für LFP-Zellen charakteristische Hystereseverhalten berücksichtigt“, sagt Dr. Stephan Horras, Leiter der EAS-Batterieentwicklung. „Dafür müssen wir diesen Algorithmus erst einmal mit charakteristischen Verläufen des Ladezustands der LFP-Zelle füttern, so dass dieser überhaupt einen aktuellen Ladezustand berechnen kann. Die Messdaten dieses Verlaufs müssen wir vorab für jeden Zelltyp einzeln erheben.“
Generell gilt: Ein BMS funktioniert so gut, wie es auf die verwendete Zelle ausgerichtet ist. Es ist aufwändig, jedoch wirkungsvoll, die Zellen detailliert zu vermessen und durch diese Charakterisierung Daten zu erheben, mit denen verschiedene Algorithmen, wie hier zum Beispiel für den „State of Charge“ oder aber auch für den „State of Health“ oder den „State of Power“, optimiert werden können.
Dies gilt insbesondere für Zellen mit neuartigen Kathodenmaterialien, wie beispielsweise das Nioboxid-basierte XNO® von Echion oder die Silizium-Nanodraht-Technologie SINANODE von OneD, die zurzeit entwickelt und getestet werden. Auch auf der Anode wird geforscht – weg vom üblichen Grafit, hin zu leistungsfähigeren Alternativmaterialien. Jedoch hat jede neue Kombination von Aktivmaterialien sowohl auf Kathoden- als auch auf Anodenseite Auswirkungen auf die Zellspannung und erfordert somit angepasste BMS-Algorithmen, um den Ladezustand einer Batterie anzuzeigen.
Parameter: Sonderfunktionen und Anforderungen der kommenden EU-Verordnung
Zu den wachsenden Anforderungen des Marktes gesellen sich regulatorische Vorgaben. So sieht der Entwurf der EU-Verordnung über „Batterien und Altbatterien“, der die aktuellen Richtlinien in den kommenden Jahren ersetzen wird, beispielsweise vor, dass Batterie-Management-Systeme für wiederaufladbare Industriebatterien dem Anwender detaillierte Informationen über den Alterungszustand und über die voraussichtliche Lebensdauer der Batterie zur Verfügung stellen. Die genauen Parameter werden im „Anhang VII“ der Verordnung definiert. „Dieser Anhang hat es in sich“, sagt Dr. Stephan Horras. „Die voraussichtliche Lebensdauer können wir schon mit den heutigen Standards ermitteln. Doch die Parameter zur Bestimmung des Alterungszustands bilden die heutigen marktüblichen BMS bei Weitem nicht ab. Zukünftig müssen die Batterie-Management-Systeme Werte während des laufendenden Betriebs der Zellen ermitteln, die wir heute lediglich einmal vor der Auslieferung der Zelle erheben.“
Alle erforderlichen Daten bleiben durch die drei Messgrößen Spannung, Strom und Temperatur bestimmbar, müssen jedoch viel detaillierter erhoben und ausgewertet werden.
Zu den Parametern, die den Alterungszustand der Batterien ermitteln, sollen gemäß dem aktuellen Verordnungsentwurf die verbleibende Kapazität, der Gesamtkapazitätsverlust, die verbleibende Leistungskapazität und der Leistungsverlust, der verbleibende Batteriewirkungsgrad, der tatsächliche Kühlbedarf, die Entwicklung der Selbstentladungsgeschwindigkeit und der ohmsche Widerstand oder die elektrochemische Impedanz gehören. Die detaillierte Charakterisierung der Zellen wird zukünftig somit noch wichtiger, um die entsprechenden Algorithmen an die neuen Anforderungen anzupassen.
Zu diesen allgemeinen regulatorischen Herausforderungen für die Batterie-Management-Systeme der Zukunft gibt es auch immer wieder anwendungsbezogene Sicherheitsstandards und damit Sonderfunktionen, die ein BMS erfüllen muss. Zum Beispiel müssen Bauteile im Automotive-Bereich einer Temperatur von bis zu 125 Grad Celsius standhalten. In der maritimen Industrie müssen sich Batterien, je nach Anwendung, mechanisch, also unabhängig von der Software, abschalten, wenn eine Störung auf Zellebene eintritt. Das sind höchste Sicherheitsanforderungen, die bereits jetzt an moderne Batterie-Management-Systeme gestellt und individuell gelöst werden.
Zukunft: Wertvolle Daten für nachhaltigere Nutzung
Die BMS-Funktion der Überwachung und Steuerung einer Batterie bleibt im Sinne der Sicherheit vorrangig. Doch die neuen Anwendungen mit optimierten Algorithmen und der modernisierte Rechtsrahmen bringen wertvolle Voraussetzungen für eine nachhaltigere Nutzung von Batterien mit sich. „Aus technischer Sicht sind die Daten, die wir in Zukunft zusätzlich ermitteln, höchst interessant“, sagt Dr. Stephan Horras. „Wir bekommen genaue Zahlen, die uns helfen, die Batterie zielgerichtet zu warten und dadurch deutlich länger zu nutzen. Das ist ein zentraler Punkt, um das Ziel der Nachhaltigkeit zu erreichen. Darüber hinaus könnten wir dann auch genau herauslesen, ob die Gesamtkapazität der Batterie in ihrem ‚natürlichen‘ Lebenszyklus nachvollziehbar abnimmt, und könnten sie somit ruhigen Gewissens auch noch gut in einem zweiten Leben, also in einer neuen und weniger anspruchsvollen Anwendung, nutzen. Insgesamt werden die Zelldaten durch das BMS deutlich besser interpretierbar geliefert. Dadurch können wir auch bislang unvorhersehbaren Situationen, in denen eine Batterie ausfallen könnte, maßgeblich vorbeugen.“